Bedürfnisse und Emotionen während der Corona-Pandemie

Ich führte kürzlich ein Telefongespräch mit einem Unternehmer. Viele Fragen beherrschten unser Gespräch. Zum einen die Angst vor der Zukunft: Was wird werden? Wird es weitere Lockdowns geben? Werden wir weiteren Regelungen und Beschränkungen unterworfen? Zum anderen ist es unklar, nach welchen Regeln aktuell gespielt wird. All das ruft große Verunsicherung hervor. Mein Gesprächspartner sorgte sich sehr, aufgrund dieser Fragen und den damit verbundenen Folgen. Er fragt sich, wie seine Zukunft aussehen wird? Werden meine Einnahmen wieder oder weiterhin wegbrechen?

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Sein Unternehmen fällt leider durch jedes Raster und jedes Hilfsnetz. Die großen Versprechungen der Bundesregierung helfen ihm nicht weiter. Die Firma ist nicht groß genug, um wie ein DAX-Konzern gerettet zu werden. Sie ist aber auch nicht so klein, um Hilfe im Einzelfall zu bekommen. Ein Thema, das Angst macht, denn es geht um das Überleben.

Ebenso das zweite große Thema, welches unser Gespräch bestimmte: Die unklaren Vorgaben und Regeln. Auch in diesem Bereich herrscht große Verunsicherung. Für den Firmeninhaber bedeutet das: Viele Entscheidungshoheiten liegen nicht mehr bei ihm. Entscheidungen werden vielmehr durch zusätzliche Regeln von der Bundesregierung vorgegeben oder gestaltet.

Einflüsse auf unsere Grundbedürfnisse

Diese Umstände führen dazu, dass man wütend werden kann. Der Grund: man selbst kann nicht mehr wirklich bestimmen, was und wie Dinge ablaufen. Eine schlechte Kombination: Angst vor der Zukunft und Druck von außen, Entscheidungen werden vorweggenommen, gestrichen oder negiert. Es werden ständig neue Regeln geschaffen werden, auf die wir persönlich keinen Einfluss haben. In meinem Gespräch mit dem Unternehmer wurde klar, dass aktuell unsere zentralen Bedürfnisse massiv beeinträchtig werden: Struktur und Ordnung. Wir leben davon, uns Ordnung und Struktur selbst zu schaffen. Und gerade Unternehmer möchten das gern eigenständig gestalten.

Zudem haben wir das Grundbedürfnis, unser Leben und Wirken selbst zu beeinflussen. Der Hintergrund vieler psychischer Erkrankungen ist beispielsweise, dass Menschen genau dieses Grundbedürfnis überhaupt nicht erfüllen können. Sie haben keine Erfahrung damit, dass sie selbst etwas bewirken, dass sie „Selbstwirksamkeit“ haben.

Hinter diesen fehlenden Grundbedürfnissen stehen Emotionen: fehlende Ordnung und Struktur erzeugen Angst. Mangelnde Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten erzeugen Wut. Doch auch andere Grundbedürfnisse werden berührt. Leichtigkeit geht verloren und damit verbunden: Dinge zu erschaffen und kreativ zu sein. Und nicht nur dann kreativ zu sein, um sich an die vorhandenen Dinge, Gegebenheiten oder Strukturen anzupassen.

Dies berührt unser Grundbedürfnis danach, Lust zu empfinden. Sie macht uns neugierig und erweckt Freude, lässt uns kreativ sein.

Außerdem fehlt uns die Geborgenheit, Nähe zu empfinden und in etwas wirklich involviert und einbezogen sein. Das fängt schon an bei Berührungen, Menschen wollen berührt werden, leiblich, aber auch geistig. Das macht uns ein gutes Gefühl.

Auch diese beiden Grundbedürfnisse Leichtigkeit und Geborgenheit kommen zu kurz. Es ist eine Schieflage entstanden.
Ich merke das auch an mir selbst, wenn ich beispielsweise Menschen begrüße, die ich wirklich mag, die aber nicht zu meinem Haushalt gehören. In normalen Zeiten würde ich diese Menschen zur Begrüßung oder beim Abschied umarmen, berühren, ihnen wenigstens die Hand reichen, doch das ist nicht möglich. Ich bleibe stattdessen immer in „sicherer“ Entfernung stehen, etwas verloren.

Uns fehlt etwas im Leben, etwas elementares, gesundheitlich total Wichtiges: Unsere Grundbedürfnisse. Werden Sie auf Dauer nicht erfüllt, wirkt sich das negativ auf unsere Gesundheit aus, psychisch und physisch.
 

Wie können wir uns schützen?

Eine Maßnahme ist es, dies zuerst einmal wahrzunehmen, sich dessen bewusst zu werden. Eine weitere Möglichkeit „auf Kurs“ zu bleiben, ist im eigenen Alltag diese Bedürfnisse im Kleinen wiederherzustellen. Und wie können Unternehmer oder Führungskräfte, ihren Mitarbeitern helfen, diese Bedürfnisse wiederherzustellen? Denn im Unternehmenskontext haben die fehlenden Grundbedürfnisse für Mitarbeiter und Kollegen ernste oder sogar unangenehme Folgen, wie Reizbarkeit, Nervosität und mangelnde Motivation.

Ausgeglichen zu leben und zu arbeiten, auch in diesen Zeiten, heißt zu schauen, welche Struktur habe ich? Welchen Gestaltungsraum gebe ich mir? Wo kann ich Leichtigkeit entdecken? Diese Blickwinkel und Perspektiven kann jeder für sich selbst aufdecken, um zu erkennen, wie man seine Grundbedürfnisse wenigstens in Ansätzen erfüllen kann. Diese Erkenntnis ist auch im beruflichen Zusammenhang wertvoll. Führungskräfte können nach diesen Prinzipen handeln und auch ihre Mitarbeiter motivieren, es ihnen gleich zu tun, um wieder effektiv und ausgeglichen arbeiten zu können.

Wie geht es Ihnen in dieser schwierigen Zeit? Wie schaffen Sie Struktur und Ordnung in Ihrem Leben? Lassen Sie uns darüber sprechen, wie wir mit Leichtigkeit „auf Kurs“ bleiben.